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Über Schweden


Schweden -- das perfekte Land?

Schweden ist zu fast allen Zeiten Projektionsfläche europäischer und vor allem deutscher Wünsche und Träume gewesen.

Schweden galt und gilt als vergleichsweise heile Welt: friedlich, ruhig, wohlgeordnet. Gesegnet mit fantastischen Naturressourcen, die in Europa ihresgleichen suchen. Viele Europäer sehen in dieser Kombination aus schwedischem Wohlstand und schwedischer Naturnähe das absolute Nonplusultra an Lebensqualität.
Ist Schweden die bessere Zivilgesellschaft, das bessere Land?

Auf jeden Fall ist Schweden ein stiller Rekordhalter:

Das weltweit erste Land, das das Frauenwahlrecht einführt. So geschehen im Jahre 1718.
Das weltweit erste Land mit gesetzlich verbriefter Pressefreiheit, abgeschaffter Zensur und dem Öffentlichkeitsprinzip in der Verwaltung. So geschehen im Jahre 1766.

Ein Land mit langer demokratischer Tradition. Der Economist Intelligence Unit Index of Democracy der Zeitschrift The Economist untersucht jährlich den Zustand und Grad der Demokratie in 167 Ländern anhand der Kriterien Wahlprozess und Pluralismus, Funktionsweise der Regierung, Politische Teilhabe, Politische Kultur, Bürgerrechte. Schweden führt seit Jahren diese Liste an und gilt damit als das demokratischste Land der Erde. (Deutschland steht auf Platz 13.)

Der schwedische Wohlfahrtsstaat galt viele Jahre als das Idealmodell einer sozialen Marktwirtschaft.

Die schwedische Familien-, Frauen- und Gleichstellungspolitik gilt als vorbildlich. Im Reichstag beträgt der Frauenanteil 47 %, auf Provinz- und Kommunalpolitikebene 41 %, zehn von 22 Ministern der aktuellen Regierung sind Frauen. Der Frauenanteil bei den Erwerbstätigen beträgt 79 % und ist ist einer der höchsten weltweit, zugleich zählt die Geburtenrate zu den höchsten in Europa.

Schweden liegt laut Bericht zur Entwicklung der Menschheit der Vereinten Nationen und laut zahlreichen anderen Statistiken und Erhebungen in vielen wichtigen Bereichen vor Deutschland:

Die mittlere Lebenserwartung der Schweden (80,8) liegt ein Jahr über der der Deutschen (79,8). Die schwedischen Gesundheitsausgaben pro Kopf sind jedoch niedriger, dennoch haben die Schweden eine höhere Ärztedichte. (Dass die Arbeitsbedingungen im schwedischen Gesundheitswesen deutlich besser sind als in Deutschland, hält seit Jahren eine Arbeitsmigration deutscher Ärzte und Pflegekräfte nach Schweden in Gang.)

Die Langzeitarbeitslosenquote in Schweden (0,7 %) ist deutlich geringer als in Deutschland (4,8 %).

Die öffentlichen Bildungsausgaben in Schweden sind deutlich höher als in Deutschland. Der Bevölkerungsanteil funktionaler Analphabeten liegt in Schweden bei 7,5 %, in Deutschland bei 14,4 %. Der Bevölkerungsanteil Niedrig- und Mittelqualifizierter liegt in Schweden unter dem der Deutschen, der Anteil Hochqualifizierter deutlich darüber.

89 % der Gesamtbevölkerung in Schweden nutzen das Internet, in Deutschland nur 75 %. Sowohl die Versorgung mit festen als auch mit mobilen Breitbandzugängen liegt in Schweden (fest: 32,5 %, mobil: 12,6 %) deutlich über Deutschland (fest: 29,4 %, mobil: 3,2 %). Innerhalb der festen Breitbandanschlüsse gibt es in Schweden (35 %) deutlich mehr mit einer Geschwindigkeit von 10 Mbps und darüber als in Deutschland (23 %).

Das schwedische Kernland ist von fremden Mächten niemals vollständig annektiert oder besetzt worden, der letzte Krieg auf schwedischem Boden liegt 209 Jahre zurück (1809 Finnland (1/3 des schwed. Staatsterritoriums) an Russland verloren), die letzte europäische Kriegsbeteiligung liegt 204 Jahre zurück (Napoleonkriege bis 1814, Norwegenfeldzug 1814). Was dann folgte und bis heute andauert, ist eine Politik der Neutralität, Block- und Allianzfreiheit. Eine europäische Nation, die seit ca. 200 Jahren nicht im Krieg gewesen ist!

Verhältnis der Deutschen und Schweden

Die deutsch-schwedische Geschichte ist engstens miteinander verwoben. Deutschland war einfach immer der große Verwandte im Süden. Seit der Hansezeit und der Reformation und bis 1945 war der Einfluss deutscher Kultur, Wissenschaft und Technik sehr bedeutend.

Deutsche Kaufleute und Handwerker waren einerseits hochwillkommen, weil sie Hochtechnologie und Kompetenz mitbrachten und Schweden in europäische Handelsströme integrierten. Andererseits bildeten sie während der Hansezeit eine derart starke und engagierte Funktionselite, dass ihr Einfluss auf die schwedische Politik per Gesetz begrenzt wurde.

Zurückhaltende Schätzungen schwedischer Sprachwissenschaftler gehen davon aus, dass 50% des schwedischen Wortschatzes niederdeutsche Entlehnungen sind. (Niederdeutsch war die Verkehrsprache der Hanse.) Würde man diesen Anteil extrahieren, würde die schwedische Sprache in ihrer heute bekannten Form nicht existieren, darüber besteht Konsens.

Deutsch war in Schweden bis 1945 Technologie-, Forschungs- und Wissenschaftssprache. Wissenschaftlich publiziert wurde fast nur auf Deutsch. Bis 1946 war Deutsch die obligatorische erste Fremdsprache an den Schulen.

Um das deutsch-schwedische Verhältnis aus schwedischer Perspektive sachlich und emotional korrekt zu beschreiben, bietet sich tatsächlich die Metapher vom großen Vetter an.

Der Vetter im Süden. Man kann es sich nicht wirklich aussuchen, ob es ihn gibt. Er ist eben da. Das hat viele Vorteile, weil er einem manches vermittelt und einen gelegentlich in Schutz genommen hat. Dann ist man zufrieden und stolz auf ihn. Allerdings ist man manchmal auch ein bisschen neidisch auf ihn, weil man bisweilen in seinem Schatten steht und weil die anderen Leute ihn mehr beachten, obwohl man selbst in vielen Dingen besser und geschickter ist als er. Aber das sehen die anderen oft nicht, weil der Vetter im Süden so groß ist und außerdem so laut spricht.

Wenn der Vetter sich ungeschickt oder unanständig verhält, ist das peinlich und man schämt sich, mit ihm so eng verwandt zu sein. Die anderen Leute schauen einen dann manchmal so vorwurfsvoll-fragend an.
Mittlerweile hat man nicht mehr so viel miteinander zu tun. Der Vetter ist ruhiger geworden und seitdem ist es nicht mehr so peinlich, mit ihm verwandt zu sein. Man liebt ihn jetzt nicht direkt, aber er ist halt der Vetter und er ist eigentlich ganz ok. Außerdem hat er eine sehr coole Auto(renn)bahn und man kommt über ihn ganz günstig an Waren, die zuhause in Schweden viel teurer sind.
Manchmal ist es sogar so, dass er jetzt ankommt und etwas von einem lernen will. Unglaublich – wer hätte das gedacht?

Den deutschen Blick auf Schweden kann man nach meinen Erfahrungen in zwei Hauptkategorien unterteilen:

Die Schwärmer und Romantiker sehen in Schweden einen einzigen großen Abenteuerspielplatz, ein Astrid-Lindgren-Märchenland, eine Art europäisches Alaska mit unendlichen Wäldern voller Elche und klaren Flüssen voller fetter Lachse. Das einzigartige Jedermannsrecht (Allemansrätten), dass allen Menschen weitgehende Bewegungsfreiheit und grundlegende Nutzungsrechte auf fast allen staatlichen und privaten Flächen einräumt, wird von den Schweden selbst äußerst zurückhaltend und sensibel genutzt. Deutsche fallen bisweilen auf durch zu unsensible Nutzung dieses Jedermannsrechts.

Die nüchternen Analytiker sind ihrerseits fasziniert von den schwedischen Wirtschaftserfolgen und gesellschaftlichen Errungenschaften. Einige wurden oben aufgezählt.
Die schwedische Wirtschaft hat sowohl vom 2. Weltkrieg selbst als auch vom anschließenden völligen Zusammenbruch der größten europäischen Wirtschaftsmacht erheblich profitiert.

Tatsächlich ist es diese Synthese aus beidem - dem hohen westlichen Lebensstandard und den vergleichsweise großzügigen Naturräumen -, die im Kern der Schwedenfaszination steckt.

Interessant ist auch noch die Sichtweise auf bzw. die Verortung Schwedens in Europa. Während der Rest der Welt annimmt, dass Schweden in Nordeuropa liegt, nehmen die Schweden selbst sich nicht unbedingt als Teil Europas wahr. Es ist relativ normal, dass man auf den Fähren von Schweden nach Deutschland Schweden sagen hört, dass sie jetzt "rüber nach Europa" fahren bzw. "rüber auf den Kontinent".
Im Wetterbericht wird stets unterschieden zwischen "dem Kontinent" und Schweden bzw. "dem Norden".

Schweden in der Flüchtlingskrise

Schweden hat traditionell eine sehr liberale und äußerst großzügige Einwanderungspolitik. Diese Einwanderungspolitik hat Schweden neben Deutschland zu dem in Europa oder wohl sogar weltweit begehrtesten Einwanderungsland gemacht.
Mit Stolz bezeichnen schwedische Regierungen ihr Land als 'humanitäre Großmacht'.
Das seit 2015 sehr stark angestiegene Flüchtlingsaufkommen hat Anfang 2016 zur vollständigen Ausschöpfung und Erschöpfung sämtlicher Flüchtlingsaufnahme- und -versorgungssysteme geführt. Unmittelbar vor dem Kollaps mussten Restriktionen eingeführt werden.

Zu Beginn der Flüchtlingskrise im Sommer 2015 kamen ca. 1500 Asylsuchende pro Woche nach Schweden. Im August verdoppelte sich diese Zahl, im September noch einmal. Im Oktober stieg diese Zahl auf 10.000 Asylsuchende pro Woche. Schweden erwartete, in der aktuellen Flüchtlingskrise bis zu 190.000 Flüchtlinge aufnehmen zu können. Das entspricht 2% der Bevölkerung (9,5 Mio) und damit pro Kopf doppelt so viel wie Deutschland.

Zum Vergleich: Der Zustrom von Flüchtlingen nach Schweden stieg von ca. 40.000 pro Jahr in den 1990ern auf knapp 80.000 pro Jahr in den letzten Jahren. Diese letzte Zahl, knapp 80.000 pro Jahr, ist etwas größer als die Zahl des jährlichen Flüchtlingszustroms in die Vereinigten Staaten, wobei diese eine fast 35fach größere Bevölkerung haben.

Die Zahl von 190.000 aufzunehmenden Flüchtlingen in der aktuellen Krise konnte nicht umgesetzt werden. Bei 160.000 neuen Flüchtlingen waren im Januar 2016 sämtliche Kapazitäten erschöpft, Schweden musste die Notbremse ziehen und seine Grenzen schließen.

Die Einwanderungspolitik der letzten Jahre und Jahrzehnte hat unter der Belastung in der aktuellen Flüchtlingskrise das Land und seine Einwohner meinungsmäßig tief gespalten:

Die einen sagen, dass es nicht nur eine humanitäre Verpflichtung sondern langfristig eine kulturelle und arbeitskraftmäßige Bereicherung sei, diesen enormen Flüchtlingszustrom aufzunehmen und dauerhaft zu integrieren.

Die anderen finden, dass es zunächst einmal zutiefst widersinnig sei, dass Schweden zwecks Finanzierung der Flüchtlingsaufnahme seine Entwicklungshilfe, die ja gerade auch Fluchtursachen bekämpfen soll, bereits jetzt um 30% gekürzt hat.
Sie fürchten eine nachhaltige finanzielle, soziale und kulturelle Überforderung und Schädigung ihres Landes, die in ihrem Ausmaß völlig verantwortungslos gegenüber seinen jetzigen Einwohnern und künftigen Generationen sei.

Vor 20 Jahren gab es in ganz Schweden drei Stadtteile, die mit der hohen Arbeitslosigkeit und dem niedrigen Bildungsstand ihrer Einwohner als soziale Brennpunkte zu bezeichnen waren. Die Anzahl dieser Stadtteile ist mittlerweile auf 186 gestiegen.
Während 82% der Schweden in Beschäftigung sind, sind es bei den bisherigen Immigranten aus nichtwestlichen Ländern nur 52% -- ein Abstand, der sich in den letzten Jahren rapide vergrößert hat.
Während lediglich ein Fünftel der Schweden den Gymnasialabschluss nicht schaffen, sind es bei den bisherigen Immigranten ein Drittel.
Die Folge ist ein starke Zunahme von Transferleistungen, von denen 60% an die bisherigen Immigranten gehen.
Prognosen gehen davon aus, dass die neuen Flüchtlinge noch wesentlich größere Schwierigkeiten auf dem Bildungs- und Arbeitsmarkt haben werden.

Die Kosten der Flüchtlingsaufnahme sind gewaltig. Die schwedische Regierung veranschlagt ca.7 % ihres Jahresgesamtbudgets von 110 Milliarden Euro für Flüchtlinge. Die tatsächlichen Kosten sind höher, weil die Integrationsaufwendungen für alle jene Flüchtlinge, die bereits Asylstatus haben, nicht enthalten sind.

Die schwedische Kriminalstatistik hat sich sehr stark verändert. Schweden ist auf dem weltweiten Spitzenplatz bei Vergewaltigungsdelikten. Die letzte einschlägige Studie zum ethnisch-sozialen Hintergrund der Vergewaltiger erschien 2005 und bezog sich auf die Jahre 1997-2001. Sie zeigte, dass im damaligen Zeitraum unter den überführten und verurteilten Straftätern im Ausland geborene Personen mehr als fünfmal so häufig vertreten waren als in Schweden geborene Personen mit zwei schwedischen Eltern.

Der Umstand, dass ein offener medialer und politischer Diskurs bzw. eine offene kontroverse Debatte über die Umstände und Folgen der Migrationspolitik gesellschaftlich unterdrückt und von den sogenannten etablierten Medien und Parteien tabuisiert wird, hat wie in anderen europäischen Ländern auch in Schweden zu einer Verschiebung in der bisherigen Parteienlandschaft bzw. im Wahlverhalten der Schwedinnen und Schweden geführt.

Im Januar 2017 meldete die schwedische Statistikbehörde den zehnmillionsten Einwohner Schwedens.

Im März 2017 beschloss die schwedische Regierung die Reaktivierung der 2010 außer Kraft gesetzten allgemeinen Wehrpflicht. Erstmalig gilt sie für Männer und Frauen.

2017 erzielte die schwedische Inlands-Tourismuswirtschaft Rekordzuwächse. Mehr ausländische Besucher als je zuvor reisten nach Schweden. Der umgerechnete Exportwert ist mehr als doppelt so hoch wie der schwedische Stahl- und Eisenexport zusammen.

Die Reichstagswahl 2018 wurde im Vorfeld von vielen als Schicksalswahl bezeichnet, die vergleichsweise wichtiger sein würde als die Reichstagswahlen der vergangenen Jahrzehnte. Ein Teil der Bevölkerung hofft dringend auf tiefgreifende und umfassende Veränderungen und Reformen, die nach ihrem Empfinden überfällig sind und lange versäumt wurden. Ein anderer Teil der Bevölkerung befürchtet genau das, nämlich grundlegende Kurswechsel in verschiedenen Politikfeldern.
Als fünf wichtigste Themen der Wahl wurde in Umfragen Folgendes ermittelt:
1. Gesundheitssystem und Pflege
2. Einwanderung und Flüchtlingspolitik
3. Schule und Ausbildung
4. Umwelt und Klima
5. Integration
Getriggert von dieser Agenda und vom prognostizierten enormen Stimmenzuwachs der neukonservativen Schwedendemokraten erfolgte im Vorfeld der Wahl eine Veränderung der öffentlichen Debatte.
Erstmals gab es eine mehr oder weniger sachliche Auseinandersetzung etablierter Medien und Parteien mit der bisherigen Migrationspolitik und ihrer Folgen für das Zusammenleben und die Sicherheit in der schwedischen Gesellschaft. Erstmals tauchten innerhalb des sog. politisch korrekten Meinungskorridors Stichworte auf wie 'verharmloste/verschwiegene/tabuisierte Probleme durch Migration' oder 'undurchdachte bzw. gescheiterte Einwanderungspolitik'.
In der Reichstagswahl am 9. September 2018 wurden die Schwedendemokraten drittstärkste Kraft mit 17,5%.
Die bisher regierende Koalition aus Sozialdemokraten, Linkspartei und Grünen erreichte 40,7%.
Der bürgerlich-neoliberale Oppositionsblock 'Allianz für Schweden', bestehend aus den Moderaten, der Zentrumspartei, den Christdemokraten und den Liberalen erreichte zusammen 40,2%.
Die Regierungsbildung war schwierig. Eine Regierungsbeteiligung der Schwedendemokraten wäre ein Novum gewesen, eine sog. 'Deutsche Lösung', also eine Große Koalition ebenfalls.
Nach aufwändigen Verhandlungen wurde Mitte Januar 2019 eine Lösung erreicht: Eine sozialdemokratisch-grün geführte Regierung, die von der Zentrumspartei, den Liberalen und der Linkspartei unterstützt bzw. toleriert wird.

Nach dem Rücktritt des Ministerpräsidenten Stefan Löfvén übernahm die Sozialdemokratin Magdalena Andersson im November 2021 das Amt der Ministerpräsidentin. Sie steht für eine politische Zäsur, einen grundlegend neuen Umgang mit bestimmten Themen.
Viele Jahre lang waren alle kritischen Fragen hinsichtlich Art und Umfang und Folgen der Einwanderung für völlig unangebracht, undemokratisch und rechtsextrem erklärt worden. Ein öffentlicher Diskurs darüber wurde politisch-medial weitestgehend unterbunden.
Nun konstatiert Ministerpräsidentin Andersson nüchtern und klar, die Integration von Migranten sei in vielen Fällen gescheitert und es gebe Zusammenhänge zwischen der stark gestiegenen Gewaltkriminalität und dieser gescheiterten Integration.
Nach der Benennung des vorhandenen Problems folgt eine restriktivere Einwanderungs- und Integrationspolitik. Unter anderem wird nun gefordert, sich wirtschaftlich selbst zu versorgen zu können mittels eines nicht-staatlichen Jobs.
Migrations-, Polizei- und Kriminalbehörden haben von der sozialdemokratischen Regierung den Auftrag erhalten, die Anzahl tatsächlich durchgeführter Ausweisungen von Einwanderern ohne Aufenthaltsgenehmigung deutlich zu erhöhen, nämlich um 50% im Jahr 2023 verglichen mit dem Jahr 2021. Bis zur Ausführung der Ausweisungen hätten sich Einwanderer ohne Aufenthaltsgenehmigung in sogenannten "Rückkehrzentren" aufzuhalten. Eine erste Kapazitätsberechnung für solche Rückkehrzentren für die Jahre '23-'25 wurde umgehend in Auftrag gegeben.

Im Mai 2022 und als Folge des Russland-Ukraine-Krieges beantragte Schweden offiziell die Mitgliedschaft in der NATO. Damit enden 200 Jahre schwedische Neutralität bzw. Bündnisfreiheit.
Dem Aufnahmeantrag vorausgegangen war eine hitzig geführte nationale Debatte über Pro und Contra und die historischen Folgen für nachfolgende Generationen.

Aus der Reichstagswahl im September 2022 gingen die Sozialdemokraten als stärkste Kraft hervor, gefolgt von Schwedendemokraten und Moderaten auf den Plätzen zwei und drei.
Seit Oktober 2022 wird Schweden von einer bürgerlich-liberal-konservativen Minderheitsregierung geführt.


Im Jahr 2023 begeht Schweden das 500. Jubiläum der Reichsgründung am 6. Juni 1523 sowie das 50. Jubiläum der Thronbesteigung des schwedischen Königs Carl XVI. Gustaf.

Dass ein schwedischer Premierminister sich mit einer 'Rede an die Nation' direkt an die gesamte Bevölkerung wendet, kommt sehr selten vor.
Am 28. September 2023 hält Premier Ulf Kristersson eine solche Rede.
Hintergrund ist die von Banden und Clans ausgehende und seit Jahren zunehmende Gewaltkriminalität. Konkreter Auslöser ist eine Reihe von "Kollateral"-Opfern im Spätsommer: unbeteiligte Männer und Frauen, die bei Sprengstoffanschlägen auf Wohnhäuser und bei Schießereien in Innenstädten getötet werden - im Schlaf, auf dem Weg zur Arbeit, in der Freizeit. Konkreter Auslöser ist ebenso das Auffinden dreier 13-/14-jähriger Kinder, die in Wäldern außerhalb Stockholms hingerichtet wurden.
Äußerst bemerkenswert ist der von höchster Regierungsstelle vorgenommene Paradigmenwechsel hinsichtlich Problemanalyse und Lösungsansätzen.
Viele Jahre lang galt es als höchst anstößig bzw. tabu, Zusammenhänge zwischen Einwanderung und Gewaltkriminalität untersuchen oder thematisieren zu wollen.
Premier Kristersson in seiner Rede: "Es sind politische Naivität und Ahnungslosigkeit, die uns hierher geführt haben. Es ist eine verantwortungslose Einwanderungspolitik und eine misslungene Integration, die uns hierher geführt haben."
Gegen die eskalierende Gewalt kündigte er eine Reihe von Gesetzesverschärfungen an - sowohl in der Einwanderungs- als auch in der Kriminalpolitik. Unter anderem solle auch eine Unterstützung der Polizei durch das Militär geprüft werden.

Am 7. März 2024 wird Schweden NATO-Mitglied.

[Diesen Text schrieb ich 2010 anlässlich einer Podiumsdiskussion im Rahmen der Sprachentage. Die 2010 recherchierten Zahlen wurden übernommen, Zeitspannen wurden angepasst. 2016 wurde der Abschnitt zur Flüchtlingskrise angefügt. 2017 wurden die Links überprüft und z.T. aktualisiert. 2018, 2019, 2022, 2023 und 2024 erfolgten Ergänzungen zum Zeitgeschehen.]

Einige Quellen für Zahlen und Fakten:







James Traub: The Death of the Most Generous Nation on Earth: Little Sweden has taken in far more refugees per capita than any country in Europe. But in doing so, it’s tearing itself apart.










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